Wenn ein geliebter Mensch verstorben ist, beginnt für die Hinterbliebenen die Trauerbewältigung. In diesem Beitrag erfahren Sie, was Ihnen und anderen Menschen helfen kann, um mit dem Verlust fertig zu werden.
Inhaltsverzeichnis
Zur Trauerbewältigung gehört auch, sich mit dem Schicksal abzufinden. Daher möchten wir Ihnen das Wichtigste vorweg mitteilen: Sie werden den Verlust nie vergessen und Sie werden noch lange an die verstorbene Person denken. Der Weg ist das Ziel – Sie müssen sich Ihrer Trauer stellen und die Phasen der Trauerbewältigung durchlaufen.
Trauerbewältigung: Phasen der Trauer
Verena Kast ist eine Schweizer Psychologin und Professorin an der Universität Zürich. Im Rahmen Ihrer Arbeit hat Verena Kast ein Modell der Trauerbewältigung entwickelt. Gemäss diesem Modell durchläuft eine Person im Rahmen der Trauerbewältigung vier Phasen:

Nicht wahrhaben wollen
Am Anfang des Trauerprozesses steht das «nicht wahrhaben» wollen. Unmittelbar nach dem Tod einer Person fühlen sich die Hinterbliebenen alleine, verlassen und isoliert. Oft kommt es vor, dass in dieser Phase der Verlust verleugnet wird und die Betroffenen glauben, sich in einem bösen Traum zu befinden. Diese Phase kann Tage oder wenige Wochen dauern.
Insbesondere in dieser Phase brauchen die Betroffenen nebst Mitgefühl oft auch Hilfe und Unterstützung. Sie können eine Person am besten unterstützen, indem Sie Alltagsarbeiten wie Einkaufen abnehmen oder bei der Organisation der Trauerfeier mithelfen.
Aufbrechende Emotionen
Diese Phase ist geprägt von Selbstvorwürfen, Wut und Ärger. Insbesondere in dieser Phase wird der Schmerz über den Verlust sehr wahrgenommen. Viele trauernde Menschen werfen sich in dieser Phase vor, zu wenig Zeit mit der verstorbenen Person verbracht zu haben oder dass sie Hilfe unterlassen hätten.
Das eigene Handeln wird stark hinterfragt und Schuldgefühle kommen auf. Die Verarbeitung dieser Phase ist besonders aufreibend, aufwändig und emotional besonders belastend.
Je nach Todesumständen sind hauptsächlich Selbstvorwürfe oder die Wut auf Dritte (z.B. Unfallverursacher, Helfer, Rettungsdienst, Ärzte, Polizei) im Fokus der trauernden Personen. Diese Phase kann Wochen, Monate oder Jahre (!) dauern.
Speziell diese Phase ist als äusserst heikel zu bezeichnen, da sich oft innere Abgründe öffnen. Selbstzweifel, (Selbst-)Vorwürfe, Wut und Ärger sind starke Emotionen, die in dieser Phase auftreten. Es ist von grosser Bedeutung, diese Emotionen zuzulassen und nicht zu unterdrücken.
Sie unterstützen die trauernde Person am besten, indem Sie für die Person einfach da sind, Mitgefühl haben und zuhören. Beobachten Sie die trauernde Person und beobachten Sie, ob bei der betroffenen Person plötzlich Suizid-Gedanken aufkommen. Sollte dies der Fall sein, wäre es sehr wichtig, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen,
Suchen, finden, sich trennen
Im Verlauf der Trauerbewältigung steht diese Phase im Zeichen der Erkenntnis. Gemeinsam erlebtes wird in Erinnerung gerufen. Gemeinsame Orte werden besucht. Es ist der Abschied, der zunächst im Fokus steht. Hin und wieder kann man beobachten, wie trauernde Personen in dieser Phase Selbstgespräche führen.
Oft werden im Inneren Zwiegespräche geführt, welche dazu dienen, noch offene Konflikte mit der verstorbenen Person zu verarbeiten. Durch diese intensive Auseinandersetzung entsteht oft ein starkes Gefühl der Begegnung mit der verstorbenen Person.
Dies kann als ausserordentlich schmerzhaft oder Trost spendend empfunden werden. Manchmal werden Gewohnheiten der verstorbenen Person verinnerlicht und übernommen. Das bewusste Abschiednehmen ermöglicht den Trauernden loszulassen.
Es ist wichtig, dass in dieser Phase der Trauer alles ausgesprochen werden darf. Als Begleitperson brauchen Sie viel Geduld, denn das Akzeptieren des Todes wird in den verschiedensten Formen gesucht.
Sie werden wahrscheinlich damit konfrontiert, dass Sie dieselben Geschichten immer wieder hören. In dieser Phase ist die Suizid-Gefahr sehr hoch. Ein Drängen darauf, den Verlust jetzt endlich zu akzeptieren, wäre in dieser Phase kontraproduktiv.
Die trauernde Person bestimmt, wann sie bereit ist, einen Schritt weiterzugehen und niemand anders. Zeit lassen, ist die Handlungsmaxime dieser Trauerphase. Sie können aber unterstützende Ansätze der Neuorientierung anbieten.
Neuer Selbst- und Weltbezug
Die letzte Phase der Trauerbewältigung steht im Zeichen der Akzeptanz. Die trauernde Person hat verstanden und grösstenteils verarbeitet. Erkenntnis, dass das Leben weitergeht, konnte gewonnen werden und man ist bereit, die Geschicke wieder selber zu lenken.
Die verstorbene Person hat ihren Platz im Herzen der Trauernden gefunden. Innerer Friede wird dadurch möglich. Nun ist die Zeit reif, sich neu auszurichten und neue Pläne zu schmieden.
Der Tod wurde akzeptiert und teilweise ändert sich die Einstellung der trauernden Person zum Leben radikal. An dieser Stelle steht die Erkenntnis, dass die verstorbene Person ein Teil des Lebens bleibt und in den Erinnerungen weiterlebt.
An dieser Stelle steht für die Begleitperson die Einsicht, dass Sie nun nicht mehr gebraucht wird. Ziehen Sie sich still und leise zurück. Die trauernde Person wird Ihnen tief im Herzen immer dankbar sein, aber es ist jetzt auch für Sie Zeit, loszulassen und zu reflektieren.
Es gilt jetzt auch für Sie zu akzeptieren, dass sich die trauernde Person nun neu orientiert und neue Menschen in ihr leben lässt. Dies verändert auch die Beziehung zu Ihnen. Lassen Sie es zu.
Trauerbewältigung als individueller Prozess
Obschon sich die Trauerbewältigung an vier (oder je nach Methode an fünf) grundlegenden Phasen orientiert, ist das Durchleben dieser Phasen von Person zu Person unterschiedlich.
Die Phasen können sehr schnell durchlaufen und nach wenigen Wochen als abgeschlossen betrachtet werden oder es kann Jahre dauern, bis der Trauerprozess abgeschlossen ist.
Wichtig ist, dass der Prozess nicht ins Stocken gerät oder sogar rückläufig wird. Sollten Sie dies beobachten oder vermuten, wäre professionelle Hilfe dringend angezeigt.
Quellenangaben
- Literatur: Verena Kast – Trauern: Phasen und Chancen des psychischen Prozesses
- Webseite: doctors.today – Wann wird Trauer pathologisch?
- Webseite: Sprechzimmer.ch – Die verschiedenen Phasen der Trauer